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Fundstelle: MMR 1999, 737

Rechtsberatungs-Hotline eines Anwalts
§ 1 UWG, § 3 BRAGO
LG Hamburg; Urteil vom 31.08.1999 - 312 O 378/99 -
rechtskräftig (nach Berufungsrücknahme)


Eine Werbung im Internet für eine telefonische Rechtsberatung unter einer 0190-er-Nummer ist jedenfalls dann unlauter, wenn der Ratsuchende nicht in ausreichendem Maße über die Gefahr der Gebührenüberschreitung informiert wird.
(Leitsatz der Kanzlei Flick)

Aus dem Tatbestand:
Die Parteien sind Rechtsanwälte. Der Antragsteller hat seinen Sitz in Hamburg, der Antragsgegner in Bremen.

Der Antragsgegner wirbt im Internet durch elektronischen Aushang an einem virtuellen schwarzen Brett eines Online-Dienstes (sog. Pinboard-Aushang) u.a. wie folgt:

"Telefonische Rechtsberatung unter der Telefonnummer 0190 - 898999 zu den üblichen Bedingungen (DM 3,63 pro Minute)".

Bei einem Anruf dieser Telefonnummer berechnet die Telekom den Anrufer eine Zeitgebühr nach dem Sondertarif für 0190 - Nummern und zieht diese Forderung ein. Die Telekom rechnet die Gebühr dann gegenüber dem Antragsgegner ab. Auf Antrag des Antragstellers hat die Kammer dem Antragsgegner bei Meidung der vom Gesetz vorgesehenen Ordnungsmittel durch einstweilige Verfügung vom 21.07.1999 verboten, in werbenden Aussagen, insbesondere durch Pinboard-Aushang in einem Online-Dienst, für Rechtsberatung unter einer sog. 0190 - Nummer zu werben, ohne bereits in der Werbung darauf hinzuweisen, daß eine Abrechnung nach Erstberatung (§ 20 BRAGO) gegeben sein kann oder in Fällen, in denen bei Berechnung der Telefonsondergebühren eine Unterschreitung der Gebühren nach Streitwert vorliegt, diese zusätzlich berechnet werden.
(...)

Gegen die einstweilige Verfügung hat der Antragsgegner Widerspruch eingelegt.
(...)

Aus den Entscheidungsgründen:
Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 21.07.1999 erweist sich auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Parteien im Widerspruchsverfahren als zu Recht ergangen und ist demgemäß zu bestätigen.

Die örtliche Zuständigkeit des LG Hamburg und Aktivlegitimation des Antragstellers ergibt sich daraus, daß das streitgegenständliche Angebot über Internet auch in Hamburg zu lesen ist und damit auch Ratsuchende aus Hamburg angesprochen werden. Damit ist Hamburg Begehungsort und der Antragsteller als Rechtsanwalt mit Sitz in Hamburg von der i.S. des § 1 UWG sittenwidrigen Werbung des Antragsgegners betroffen.

Bei dem angegriffenen Angebot von telefonischer Beratung über eine 0190er - Nummer handelt es sich um eine Zeitvergütung, die die gesetzlichen Gebühren sowohl unter Verstoß gegen § 3 Abs. 5 BRAGO, unterschreiten als auch unter Verstoß gegen § 3 Abs. 1 BRAGO, überschreiten kann. Der streitgegenständlichen Werbung ist nicht zu entnehmen, daß im Vergleich zu den von der Telekom einzuziehenden Telefongebühren nach den Umständen des Einzelfalls höhere oder niedrigere Rechtsanwaltsgebühren anfallen können, so daß der angesprochene Verkehrskreis i.S. des § 3 UWG in die Irre geführt wird. Durch den Verstoß gegen die Vorschriften der §§ 3 BRAGO, 49 b Abs.1 BRAO verschafft sich der Antragsgegner weiter gegenüber Anwälten, die sich an die gesetzlichen Vorschriften halten, einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorsprung, welcher unter dem Gesichtspunkt des Vorsprungs durch Rechtsbruch mit § 1 UWG unvereinbar ist (vgl. OLG Frankfurt a.M. NJW 99, 153).

Gemäß § 49 b Abs. 1 BRAO ist es unzulässig, geringere Gebühren und Auslagen zu vereinbaren oder zu fordern, als die BRAGO vorsieht. Zwar ist eine Gebührenunterschreitung gemäß § 3 Abs. 5 BRAGO grundsätzlich zulässig. Sie muß jedoch nach Satz 4 dieser Vorschrift in angemessenem Verhältnis zu Leistung, Verantwortung und Haftungsrisiko des Anwalts stehen. Ob ein solches angemessenes Verhältnis besteht, läßt sich aber regelmäßig nur an Hand des konkret in Aussicht stehenden Mandatsverhältnisses beurteilen, während im vorliegenden Fall die Höhe der Zeitvergütung gerade nicht individuell vereinbart wird, sondern unterschiedslos auf alle denkbaren Beratungsfälle Anwendung findet (vgl. OLG Frankfurt a.M. NJW 99, 153; AGH NW AnwBl 99, 349; Berger NJW 99, 1356). Auch § 49 b Abs. 1 BRAO knüpft eine ausnahmsweise zulässige Ermäßigung an die Umstände des Einzelfalles, insbesondere die Bedürftigkeit des Auftraggebers. Aus alledem ergibt sich, daß von dem Antragsgegner ggf. zusätzlich zu den Telefongebühren weitere Gebühren zu fordern sind. Hierüber gibt die streitgegenständliche Werbung jedoch keinerlei Auskunft.

Eine Gebührenüberschreitung wiederum setzt gem. § 3 Abs. 1 BRAGO eine schriftliche Erklärung des Mandanten in einer gesonderten Urkunde voraus. Es bedarf keiner näheren Darlegung, daß es sich bei der hier streitgegenständlichen telefonischen Rechtsberatung an der Einhaltung dieser Formvorschrift fehlt, so daß der Mandant nur die gesetzlichen Gebühren schuldet. Dieser könnte somit gegenüber der Telekom die Zahlung des dem Antragsgegner zustehenden Entgelts insoweit verweigern, als höhere als die gesetzlichen Gebühren anfallen. Da der Mandant die internen Absprachen zwischen der Telekom und dem Antragsgegner nicht kennt, wird es dem Mandanten allerdings schwerfallen, diesen Betrag zu errechnen. Zahlt er zuviel, kann er die nicht geschuldete Vergütung nach § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB nur dann zurückfordern, wenn er nicht i.S.d. § 3, Abs. 1, S. 2 BRAGO freiwillig und ohne Vorbehalt gezahlt hat. Die "Freiwilligkeit" der Leistung setzt in diesem Zusammenhang jedoch voraus, daß der Auftraggeber weiß, daß seine Zahlung die gesetzliche Vergütung übersteigt (vgl. OLG Frankfurt a.M. NJW 99, 153 m.w.N.; AGH NW AnwBl 99, 348). Daran fehlt es jedoch hier, denn die streitgegenständliche Werbung enthält insoweit keinerlei Anhaltspunkte für den potentiellen Anrufer, daß zusätzlich zu den Gesprächsgebühren weitere Gebühren anfallen können. Vielmehr wird in der angegriffenen Werbung des Antragsgegners eine "telefonische Sofortberatung ... zu den üblichen Bedingungen (DM 3,63 pro Minute)" angeboten, woraus der Verkehr eine abschließende Äußerung im Hinblick auf die anfallenden Kosten entnehmen wird. In den Fällen der Überschreitung der gesetzlichen Gebühren zieht der Antragsgegner somit eine Vergütung ein, auf die er in dieser Höhe auch unter Berücksichtigung der Regelung in § 3 Abs. 1 Satz 2 BRAGO keinen Anspruch hat.
Eine Gebührenüberschreitung ist insbesondere auch im Hinblick auf § 20 BRAGO bei der telefonischen Rechtsberatung durchaus möglich und naheliegend, und zwar auch vor Erreichung einer Gesprächsdauer von 60 Minuten. Auf die vom OLG Frankfurt a.M. (NJW 99, 153) und dem AGH NW (AnwBl 99, 348) zutreffenden Ausführungen wird verwiesen. Im übrigen kann ein Anrufer, worauf der Antragsteller zu Recht hinweist, in derselben Sache auch mehrfach anrufen.

Ob darüber hinaus auch ein Verstoß gegen das Abtretungsverbot gem. § 49 b Abs. 4 BRAO vorliegt (vgl. Berger NJW 99, 1355 f. gegen OLG München NJW 99, 152), kann vorliegend dahinstehen.

(...)


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